Neal Stephenson – Cryptonomicon


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5. Indigo (88–104)

Pearl Harbour, Hawai, 7. Dezember 1941 – Lawrence Waterhouse erlebt den japanischen Angriff, als die Kapelle gerade die Nationalhymne an Deck der USS Nevada spielt, die zu den ungefähr einhundert US-Kriegsschiffen gehörte, die die US-Navy auf diesem Flottenstützpunkt zusammengezogen hatte, um der sich abzeichnenden kriegerischen Auseinandersetzung mit Japan zu begegnen. Lawrence, der nur leicht verletzt wird, hält den Angriff anfangs für eine Übung:
"Das Ganze ist eine unglaublich realistische Übung – bis hin zu dem Umstand, dass ethnisch passende Piloten eingesetzt und auf den Schiffen Manöver-Sprengkörper zur Explosion gebracht werden. Lawrence billigt das voll und ganz. Es ist hier einfach zu lax zugegangen." (89)

Es ist sicherlich glaubhaft, daß ein einfacher Soldat von dem japanischen Angriff auf Hawaii am 7. Dezember 1941 so überrascht gewesen ist, daß er im ersten Moment an eine Übung glaubte. Historisch korrekt ist die Ansicht, daß der Angriff die Amerikaner aus heiterem Himmel getroffen hat, jedoch nicht:

"Roosevelts Kriegsminister notierte nach einer Kabinettssitzung vom 25. November 1941, gut zwei Wochen vor dem japanischen Angriff auf Pearl Harbour: »… die Frage ist lediglich, wie wir Japan dahin manövrieren sollten, den ersten Schuß zu tun«." (Zentner, Ch. (Hrsg.): Krieg im Pazifik 1 – Pearl Harbour. In: Ders.: Das Dritte Reich. Sammeldokumentation zur Zeitgeschichte, Bd. 3. Hamburg, o.J. S. 399.) — Pazifik-Krieg: Der japanische Angriff auf Pearl-Harbor im Zweiten Weltkrieg

Die Szene ist ein Zitat aus dem Film Tora! Tora! Tora! (1970):

"Das Bild der AmerikanerInnen als Opfer (oder 'targets') in Pearl Harbor wird klarer im Vergleich mit anderen Pearl Harbor-Filmen, zumal mit Blick auf die jeweils als erste vom Luftangriff Betroffenen: In der Sozio– und Psychodramatik von From Here to Eternity sind es in der Baracke frühstückende Navy-Kumpels, die von den ersten Bomben durchgerüttelt werden; in dieser Erzählung ist sofortige Gegenwehr möglich, weil der Film aktive Subjektivität über ein zwar konfliktuöses, aber organisch-tragendes Milieu figuriert. Tora! Tora! Tora! hingegen leistet sich zum Angriffsbeginn einen Gag: Eine Navy-Kapelle, in Galauniform beim Flaggenappell, spielt die US-Hymne immer schneller, um rechtzeitig vor den ersten Bomben davonlaufen zu können; hier ist das kollektive Bezugsfeld der Staat, seine Insignien, Rituale – und sein Versagen (1970 ein naheliegendes Objekt sanften Spotts). In Pearl Harbor überfliegt der Feind zuerst urinierende Pfadfinder, die Frau an der Wäscheleine und Baseball spielende Buben; hier ist "Amerika" weder Milieu noch Staat, sondern als bedrohte Privatsphäre und Intimität eines kindlich-entblößten Körpers definiert. (In J. Hobermans [2001] vor dem 11. September verfasster Rezension wird die Beschwörung eines Luftangriffs auf die USA in Pearl Harbor übrigens als implizite Werbung für Bushs "SDI fantasy" interpretiert.) Wie lässt sich angesichts solcher Opfer Geschichte erzählen, ihr Trauma Action–pragmatisch bearbeiten?" — Drehli Robnik: Remember Pearl Harbor! America Under Attack — ein Blockbuster als medienkulturelles Gedächtnis

Weil die Kapelle nun kein Schiff mehr hat und die meisten Instrumente zerstört wurden, werden die Musiker zu einer, wie es scheint, Schreibstubeneinheit versetzt. Es handelt sich jedoch um eine Einheit des militärischen Geheimdienstes, wo es Lawrence bereits beim ersten Test der Einführung in Kryptographie und Kryptoanalyse gelingt, aufzufallen, weil er den Code der Übungsaufgabe in kürzester Zeit knackt. Man macht ihn mit dem (fiktiven) Werk namens Cryptonomicon eines Engländers namens Wilkins bekannt, das Stephenson dem tatsächlich von John Wilkins 1641 veröffentlichten kryptographischen Werk Mercury nachempfunden hat.

"Die Wissenschaft der Herstellung von Geheimcodes heisst Kryptographie (…) und die Wissenschaft ihrer Entschlüsselung heißt Kryptoanalyse." (97)

weitere Lawrence-Kapitel:

1. Barrens12. Londinium14. Röhre16. Zyklen 19. Ultra21. Qwghlm House25. Das Schloß

4. Vorstösse6. Der Same des Onan
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© Otto Sell – Wednesday, May 29, 2003
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