Nils Minkmar: Rushdie Hour

Mit dem Schriftsteller unterwegs

Gerhard Seyfried prägte in seinen Comics über Staatsbesuche in Berlin den Satz von den “fröhlich winkenden Scharfschützen” – und genau dies beschreibt die äußerliche Stimmung eines Besuchs von Salman Rushdie. Hunderte von Metalldetektoren, Mannschaftswagen, Polizisten in Kampfanzug und in allen Arten von Zivil, vom Anzug zu Jeans und Turnschuhen: eigentlich genau das, was man gewöhnlich gegen linke eigensinnige Schriftsteller in Stellung bringt und nicht zu ihrem Schutz. Es sind eben unübersichtliche Zeiten.

So verrückt, daß sich beispielsweise ein Politiker aus dem wenige hundert Meter entfernten Reichstag in die Lesung im Haus der Kulturen verirrt hätte, sind die Zeiten in der Berliner Republik denn allerdings doch nicht. Schade, sie haben etwas verpaßt. Kaum tritt Rushdie auf, ist die Hochsicherheitsumgebung vergessen. Mit wachsendem Vergnügen liest er den Beginn seines neuen Romans, imitiert den mexikanischen Dialekt eines Chauffeurs und spielt einen Streit zwischen Willibald Gluck und seinem Librettisten Raniero Calzabigi über das deprimierende Ende der Geschichte von Orpheus und Eurydike nach: “Happy it up, ja?”

Im anschließenden Gespräch mit Roger Willemsen wird es dann endlich ernst, nämlich bei der Frage nach dem Roman “Fever Pitch” von Nick Hornby. Nein, bekennt Rushdie ergriffen und mit geschlossenen Augen, ein ganzes Buch über einen Fan von Arsenal London – das habe er, als überzeugter Anhänger der Tottenham Hotspurs, nun wirklich nicht ertragen können. Sicher ein gutes Buch, aber er könne es einfach nicht lesen.

In der Hamburger Lesung am Dienstagabend sorgt Rushdie dann für einen von den internationalen Medien wie immer und naturgemäß sträflich übersehenen Scoop, als er auf die Frage, ob Elvis je in Bombay gesehen worden sei, antwortet, daß Elvis heute in Bombay lebe.

Kritiken an seinem Roman, seinem Musikgeschmack, ja die offene Feindseligkeit, die ihm von Madonna entgegenschlägt, die seinen Roman bekanntlich ihrem Shredder übergeben hat, quittiert er mit einem fröhlichen “I’m used to trouble” – der einzige Hinweis auf die Fatwa. Gutgelaunt entwickelt er die Idee, auf den Umschlag der zweiten Auflage Sticker anzubringen: “Von Madonna geschreddert” und “Mehr Sex denn je sagt Roger Willemsen.”

Kurt Vonnegut hat in einem seiner Romane angeregt, Menschen müßte viel mehr Anerkennung zuteil werden einfach dafür, daß sie am Leben seien. Das sei schließlich umständlich genug. Montag und Dienstag wurde zumindest einem Menschen solche Anerkennung vermittelt - weil er lebt und mehr noch, weil er so lebt, wie er lebt.

(Nils Minkmar, SZ. 23.4.1999, S. 18)

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